BizOps: Hohe Digitalisierungs-Kunst entsteht in harter Alltagsarbeit von Business und IT

„Unternehmen, die sich keine ausreichende Digitalisierungs-Expertise gesichert haben werden mit Digitalisierungsvorhaben scheitern und teures Lehrgeld bezahlen.“

Digitalisierung und die damit einhergehende Transformation von Prozessen, Produkten und Kundenbeziehungen in die digitale Welt ist der unbestrittene Megatrend in der IT. Allerdings finden viele Unternehmen nach wie vor nicht die richtigen Ansatzpunkte, um sich umfassend zu digitalisieren. Es sind häufig einzelne Projekte, in denen neue Vorgehensweisen, Services oder Produkte ausprobiert werden. Denn den großen Wurf wagen viele Verantwortliche jedoch noch nicht. Häufig bestehen zu viele Unwägbarkeiten sowohl in geschäftlicher Hinsicht als auch in Sachen Technologie. 

Business-Manager stellen sich zu Recht die Frage, wie sie digitale Services, zum Beispiel die viel beschriebene Predictive Maintenance, monetarisieren können. IT-Verantwortliche sind dagegen häufig überfordert, wenn es um Auswahl und Orchestrierung von Cloud-Services geht, die digitale oder digital erweiterte Prozesse unterstützen sollen. Die Unsicherheit resultiert zum einen aus zu wenig Know-how, zum anderen aber auch aus einer gewissen Unreife der angebotenen Leistungen. Hinzu kommen noch fehlende oder zu komplexe Verfahren zum Management und zur Leistungsmessung der neuen Services. IT-Verantwortliche können häufig nicht genau genug bestimmen, ob die Leistungen auch in versprochenem Umfang und Qualität erbracht werden; kurz: ob sich Mittel- und Personaleinsatz wirtschaftlich tatsächlich lohnen.

Techquilibrum: neues Gleichgewicht zwischen IT und Business

Die noch nie um neue Wortschöpfungen verlegenen Analysten von Gartner haben deshalb im November letzten Jahres den Begriff „Techquilibrum“ eingeführt.

Mit dem Begriff, der sich aus Technology und Equilibrium zusammensetzt, meinen die Analysten, dass jedes Unternehmen – abhängig von der Branche, den eigenen Fähigkeiten sowie den Bedürfnissen seiner Kunden – sein individuelles Maß an Digitalisierung finden muss. Im Umgang mit Kunden sei es erreicht, wenn in jedem Moment, in dem Technologie und Menschen aufeinandertreffen, Wert entsteht.

Um dieses Techquilibrum zu erreichen und in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen, so Gartner, unter anderem das „And“-Dilemma überwinden. Vieles von dem, was sich auf den ersten Blick widerspricht, müssten Unternehmen künftig gleichzeitig bewältigen. Zum Beispiel: gleichzeitig nach Wachstum streben und Kosten reduzieren, zur gleichen Zeit traditionelles und digitales Unternehmen sein, parallel analysieren und ausführen oder stabil sein und sich zugleich verändern.

Vor Digitalisierungsprojekten steht die Analyse

„Techquilibrum ist natürlich ein typisch abstrakter Gartner-Begriff,“ meint Stefan Deml, Mitgründer und Vorstand des Münchener Systemintegrators amasol. „Aber wenn man ihn auf den Digitalisierungsalltag herunterbricht, beschreibt er eigentlich eine sehr pragmatische Herangehensweise, die ich Anwenderunternehmen auch empfehle.“

Deml rät Anwendern, zunächst ihren Markt zu analysieren, um ein Gefühl für das geforderte Digitalisierungsmaß zu bekommen. „Die Anforderungen an die Digitalisierung sind im Endkunden-Online-Handel sicher höher und eiliger als beispielsweise im traditionellen B2B-Baustoffhandel“ erklärt er. Wenn man wisse, was der Markt an Digitalisierung benötige oder vertrage, sollten Unternehmen einen durchaus strengen Blick auf die Fähigkeiten ihrer Organisation, ihrer Geschäftsbereiche und vor allem ihrer IT werfen. „Unternehmen, die sich keine ausreichende Digitalisierungs-Expertise gesichert haben – entweder selbst aufgebaut oder eingekauft – werden mit Digitalisierungsvorhaben scheitern und teures Lehrgeld bezahlen“, warnt der amasol-Stratege Deml. Zu guter Letzt plädiert er dafür, die Technologie in den Blick zu nehmen. „Hier kann man sehr viel einkaufen, an fertigen Services und noch mehr an Plattformen, auf denen man selbst Services aufbauen kann. Aber auch hier braucht man viel Know-how.“

Aus Technologie-Management wird Business Operation Management

Mit Cloud-Services zum Beispiel sei es zwar auch für mittelständische Unternehmen einfacher, an bestimmte Services zu gelangen, aber ohne Einsatz-Know-how und Technologie-Management gehe es eben auch nicht. „IT- und Digitalverantwortliche müssen wissen, ob die Services ihre Leistungen bringen, ob Daten ordnungsgemäß übertragen und Transaktionen im geforderten Tempo abgeschlossen werden. Vor allem müssen sie aber wissen, ob die verschiedenen IT-Leistungen das Business adäquat unterstützen und wo noch Lücken sind.“

In Zeiten der Digitalisierung gehe es dabei mehr um Business Operation Management als um reines Technologie-Management, betont auch Frank Jahn, für den Vertrieb verantwortlicher Vorstand bei amasol: „Das war unser Motiv, im letzten Jahr das BizOps-Forum ins Leben zu rufen. Es findet am 13. Mai 2020 zum zweiten Mal statt. Auf der Konferenz werden genau solche Themen an den Verbindungsstellen von Business, Betrieb und IT verhandelt. Das Ganze findet mit und vor den Leuten statt, um die es geht: IT-Manager, Business-Manager und Operations-Manager.“

Unternehmen müssen einiges verändern

Unternehmen, die ihr Techquilibrum anstreben, müssen sich allerdings darauf einstellen, dass sie einiges umstellen müssen. Das beginnt mit der Aufstellung der Teams, die sehr viel heterogener zusammengesetzt werden sollten. Die Mitglieder sollten sowohl aus der IT, dem Betrieb als auch aus dem Business kommen.

Außerdem wird in der Breite mehr Technologiekompetenz benötigt. Da kaum ein digitales Projekt ohne IT auskommt, sollten Unternehmen überlegen, wie sie den Einsatz von digitalen Werkzeugen so vereinfachen können, dass mehr Mitarbeiter mit ihnen umgehen können, beziehungsweise mehr Leute aus den Fachabteilungen zum Beispiel mit Hilfe von Low Code-Plattformen selbst digitale Services auf den Weg bringen können.

Damit mehr Mitarbeiter in den Unternehmen in den Genuss moderner IT-Lösungen kommen und die Kunden stärker von digitalen Lösungen profitieren können, sind Organisationen auch gehalten, verstärkt über Automatisierung von Prozessen durch IT und Digitalisierung nachzudenken. Das betrifft sowohl die Unterstützung von Entscheidungen durch Künstliche Intelligenz und Business Analytics als auch die Abwicklung von Kundenanfragen, Bestellungen oder Beschwerden.

Einfachere Werkzeuge und mehr Automatisierung sind nötig

Die Absenkung des Skill-Levels mit Hilfe einfach zu benutzender Werkzeuge und ein höherer Automatisierungsgrad in den Prozessen und in der IT stellen allerdings höhere Anforderungen an das IT-Business-Management. Es hat die Aufgabe, die Komplexität vor dem Nutzer abzufangen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die verschiedenen eingesetzten Technologien reibungslos zusammenarbeiten, damit sie den Business-Anforderungen überprüf- und nachvollziehbar gerecht werden; vor allem dann, wenn sie von externen Betreibern bereitgestellt werden.

„Damit wird aus IT-Management Business Operations Management. Themen wie Application Performance Management, IT Operations Analytics oder Technology Business Management rücken sehr viel näher an das Business heran. Ohne diese Werkzeuge läuft in modernen, immer stärker digitalisierten Unternehmen kaum noch etwas. Organisationen, die die Digitalisierungsherausforderungen ernst nehmen, brauchen diese Werkzeuge als Grundlagen für ihr Geschäft und damit für ihr Überleben“, so das Fazit von Deml.